Friday, March 29, 2024

Dieser Deutsche lebt seit mehr als 30 Jahren allein in Kanadas Wildnis

 

 

Er lebt seit dreißig Jahren allein in den Weiten Kanadas, ernährt sich von dem, was er selbst erntet oder erlegt und genießt die Einsamkeit in vollen Zügen – Jo Bentfeld ist ein Freidenker, ein Zyniker und vor allem ein kleiner Anarchist.

Menschen wie Jo Bentfeld gibt es nur selten – er ist ein Aussteiger, ein Eigenbrötler und ist ein echtes Original. Nicht alles was er sagt, ist für Jedermann sofort nachvollziehbar und doch klingt jeder Satz, als hätte er treffender nicht sein können. Nicht immer ernst gemeint, aber immer sympathisch. Er ist ein Mann, dem die Zivilisation zu viel, oder je nachdem, wie man es betrachtet, zu wenig ist.

Im Sommer 1932 wurde Jo Bentfeld, der laut der regionalen Tageszeitung „Neue Westfälische“ eigentlich Hans-Joachim Blankenburg heißt, in Ostrach, Baden-Württemberg geboren. Erst als Schreiner und später als Polizeikommissar tätig, sehnte er sich zurück an seinen Ursprung: Unberührte Natur, das einfache Leben und vor allem: Freiheit. Das Leben, das er einst als Kind lebte.

Das erste Mal abseits der Zivilisation lebte Bentfeld in Skandinavien: In seinem Wohnmobil suchte er vor ungefähr 40 Jahren die Einsamkeit des Nordens. Doch während für die meisten die Leere Skandinaviens schon zu viel ist, konnte es Bentfeld nicht abgelegen genug sein. Die Touristen, die sich vor allem im Sommer in den nordischen Ländern tummeln, störten den Mann, der die Einsamkeit so sehr liebt, und so zog es ihn an einen Ort, der noch weiter von Zuhause weg und noch abgelegener war als Europas Norden. Den Ort, der seinen Wunsch nach Einsamkeit erfüllte, fand der Aussteiger in Kanada, nahe der Grenze zu Alaska: Er folgte einer Straße, die nur wenige Monate im Jahr geöffnet war. Am Ende angekommen schlug er sich noch drei Tage durch die Wildnis Yukons und fand den Ort, der zu seinem Zuhause werden sollte.

Überwindung, sein Leben in Deutschland gegen das Leben eines Einsiedlers einzutauschen, brauchte es nicht, sagt Bentfeld. Vielmehr war es eine „Rückkehr in die Erlebniswelt meiner Jugend. Ich bin im vorläufig letzten Weltkrieg in einem kleinen Dorf in bäuerlicher Selbstverwirklichung aufgewachsen. Wir lebten von der Natur: Säen, Ernten, Sammeln, Schlachten – und was man so nicht gewinnen konnte, gab es halt nicht.“ Und genau danach sehnte er sich: Abgeschiedenheit, Einfachheit, das Leben fernab von Technik, Stadttrubel und oberflächlichen Konversationen. Ein Leben in der „wirklich unberührten Natur“, wie Bentfeld es beschreibt.

Dabei lebte er nicht immer allein: Für einige Jahre leistete ihm seine damalige Frau Sabine Gesellschaft in den Tiefen Kanadas. Er lernte sie auf einer seiner Lesungen, die den Autor hin und wieder nach Deutschland verschlagen, kennen und nahm sie kurzerhand mit in sein kleines selbstgebautes Paradies. Inzwischen ist das Paar geschieden und Bentfeld lebt wieder allein in den Wäldern. Neben seiner Frau blieben Besucher aber eine Seltenheit. In seinen 30 Jahren, die er inzwischen in seiner Hütte an Jo’s Lake lebt, bekam er nur ungefähr 30 Mal Besuch. Darunter seine beiden Söhne und ihre Familien, Reporter und ein kleines Filmteam, welches dieses Video über Bendtfelds Leben drehte.

Wie der Alltag zwischen Bären und Bäumen aussieht? „Bei mir im Urwald bin ich meine Hausfrau, ich muss also den halben Tag an meinem Wohlergehen arbeiten: Kochen, Waschen, Flicken und so weiter. Die 2. Hälfte für Jagd, Fischfang und Wanderungen“, beschreibt Bentfeld sein Leben. Wenn all das erledigt ist, richtet er sich frei nach Kurt Tucholsky und „lässt die Seele baumeln“. Ein Leben, das natürlicher nicht sein könnte und doch für die meisten Menschen kaum noch vorstellbar zu sein scheint.

Was er braucht, jagt, sammelt oder baut er selbst, ein Umstand, der seine Lebenskosten äußerst gering hält: Nur ungefähr 300 Euro benötigt er pro Jahr. Für Mehl, Kaffee, ein paar Gewürze und natürlich Munition. „Den Rest entnehme ich der Wildnis: Jagd, Fischfang, Beeren, Pilze und Naturgemüse sammeln“, erklärt der Aussteiger.

 

 

Das Bentfelds Lebensstil auch gewisse Gefahren mit sich bringt liegt auf der Hand: Unberechenbare Krankheiten, unvorhersehbare Wetterumschwünge und wilde Tiere könnten dem Einsiedler zum Verhängnis werden. Doch den Szenarien, die viele Menschen vielleicht abschrecken, steht Bentfeld entspannt gegenüber. Auf die Frage, wie er mit Krankheiten umgeht, antwortete er nur knapp: „Ich bin unheilbar gesund und habe 30 arztfreie Jahre im Blockhaus in der weglosen Wildnis verbracht. Das nächste Indianerdorf ist sieben Tage Fußmarsch durch den weglosen Urwald entfernt.“ Kein Anflug von Angst klingt in den Worten des 85-Jährigen mit, eher eine optimistische Sicht auf die Dinge. Und die Vergangenheit spricht für ihn: Trotz zunehmenden Alters ist er fit genug, um allein zu überleben. Die frische Luft und das tägliche Arbeiten in der Natur scheint ein gutes Mittel gegen das Älterwerden und seine Begleiterscheinungen zu sein.

Auch die wilden Tiere, wie Wölfe und Bären, die durch die Wälder Kanadas streifen, bereiten ihm keine Sorge. „Es gibt keine gefährlichen Tiere im Norden – nur unvorsichtige dumme Menschen“, antwortet er TRAVELBOOK. Ein entspannter Umgang mit der Natur und das Vertrauen auf seine eigenen Instinkte und sein Urteilsvermögen geben Bentfeld die Sicherheit, die man sicherlich benötigt, wenn man ein Leben wie das seine führt.

So ganz ohne Gefahren ist der Norden dennoch auch für Bentfeld nicht: Wind und Wetter können gegen den Menschen arbeiten und auch die weglose Natur hat ihre Tücken. Sein gefährlichstes Erlebnis war, als er sich auf dem siebentägigen Rückweg seines jährlichen Einkaufs in einem Schneesturm verirrte. Ein Vorfall, welcher im kanadischen Winter durchaus tödlich enden kann.

Eine gewisse Sehnsucht nach Freiheit ist wohl in jedem Menschen vorhanden. Bei einigen mehr, bei anderen weniger und bei Menschen wie Bentfeld in einem ausgesprochen hohen Maße. Dabei hat er geschafft, die so ersehnte Freiheit auch zu leben: Außerhalb der Zivilisation hat Bentfeld die größtmögliche Freiheit, sich selbst zu verwirklichen und lebt nach seinem Motto „Bedürfnislosigkeit ist die Mutter jeder Freiheit!“ Fernab der nach immer mehr Konsum strebenden Welt hat er sich sein eigenes Paradies aufgebaut und lebt sein Leben nach seinen Bedürfnissen und nicht nach denen großer Konzerne. Wie es sich anfühlt in dieser vollkommenen Freiheit allein in Kanada zu leben? Bentfeld findet eine Antwort, die schöner nicht sein könnte: „Euphorisch, nur auf rosa Wölkchen schwebend.“ Eigentlich fast so, wie man es sich immer vorgestellt hat.

Auch auf die Frage nach seinen schönsten Momenten in Kanadas Natur findet der Zyniker genau die richtigen Worte: „Jeder Tag ohne Menschen allein mit der Wildnis.“ Dennoch vermisst er etwas, was nur die Zivilisation bietet: „Nur mein tägliches ‚Viertele‘ vom roten Trollinger, das Gott einem jeden Schwaben zugestanden hat.“ Denn Weinanbau gestaltet sich im Norden Kanadas tatsächlich etwas schwieriger.

Ich hatte nie etwas über den Jo Bentfeld gehört bis ein Schweizer namens Fabio Principato eine Email schickte in der er sich über German Harry und Tom Neale erkundigte nachdem ich über sie so viel geschrieben hatte. Am Ende schrieb er: "Bis jetzt konnte ich nur ein Buch über einen Mann lesen, der in Kanada gereist ist und dort in den Wäldern einen Blockhaus alleine gebaut und dort für lange Jahre gelebt hat. Irgendwo online konnte ich sein Buch finden (den einzigen findbaren) und noch sogar mit seiner Unterschrift aus dem 2000. Etwa einmal im Jahr reiste er zu seinem Heimatort zurück um Vorträge über sein Leben zu geben. Sein Name war Jo Bentfeld."