Thursday, December 16, 2021

Der Mittellandkanal

 

 

Als ich noch ein Junge war in Braunschweig, fuhr ich oft auf dem alten PANTHER-Damenfahrrad meiner Mutter quer durch die Stadt raus zum Mittellandkanal. Dort saß ich dann für Stunden und träumte den vielen Lastschiffen nach, die ganz langsam den Kanal rauf- und runterfuhren.

Menschen wohnten auf den Schiffen; Wäsche hatte man zum Trocknen aufgehängt; ein Fahrrad lehnte gegen das Steuerhaus; ein Hund sonnte sich auf einem Lukendeckel; jemand saß im Heck und schälte Kartoffeln.

Das Wort "Fernweh" kannte ich noch nicht, aber das Gefühl kannte ich schon. Und es blieb immer bei mir, bis ich schließlich der Gutbürgerlichkeit und dem schon vorgeschriebenen Leben - mach die Lehre durch, dann den Wehrdienst, find 'ne gute Anstellung - mit meiner Auswanderung entfloh.

Heute noch schaue ich Schiffen nach, aber es sind kleinere Schiffe die hier auf dem Fluß an dem ich wohne, entlangfahren. Mit dem Fernweh ist es vorbei denn ich wohne ja in der Ferne. Und die Ferne ist nicht mehr die Ferne sondern mein Zuhause. Aber manchmal denke ich noch an das alte Zuhause, denn aus dem ehemaligen Fernweh wurde das jetzige Heimweh.

"Irgendwo über den Bergen muss meine ferne Heimat sein" Hermann Hesse