Vielleicht liegt es an der Hitze ☺
Mein österreichischger Aussteiger-Freund Horst im Königreich von Tonga schickte mir diesen Brief. Am 26. Februar auf der kleinen Insel Uiha geschrieben, kam er mit Kanu zur größeren Insel Lifuka, wurde dort am 31. März abgestempelt, und lag dann vielleicht noch für ein paar Wochen im Postamt herum ehe er mit der Fähre zur Hauptinsel Tongatapu ging. Von dort mit dem Flugzeug nach Sydney in Australien von wo er dann innerhalb von ein oder zwei Tagen am 29. Juli in Batemans Bay eintraf.
153 Tage! Ich kann schneller schwimmen!
Sein 'Wohnzimmer'
Obwohl er ein nettes tropisches 'Wohnzimmer' hat, konnte Horst nur wenig schreiben da er sich seinen Ellbogen verletzt hat. Er schickte mir mehrere 'sound files' im AMR-Format (Adaptive Multi-Rate) die ich erst einmal mit www.online-convert.com auf MP3 umsetzen musste damit ich sie mir anhören konnte. Hier ist eine Probe.
Nach einem Arbeitsunfall in dem er sich seine Halswirbelsäule brach und einer Ehescheidung verlies er Österreich als 39-jähriger und kam am 25. April 1995 in Tonga an. Dort lebte er zuerst in der Hauptstadt Nuku'alofa auf der Haupinsel Tongatapu wo er eine Einheimische heiratete mit der er zwei Kinder hat. Seit April 2005 lebt er aber getrennt, zuerst auf der Insel Lifuka wo ich ihn in 2006 traf, und jetzt auf der kleineren Insel Uiha who er sich im Januar 2009 ein kleines Haus mietete. Dann, Anfang 2012, baute er sich sein eigenes Eingeborenenhaus direkt am Strand der kleinen Insel. Und es könnte sogar sein daß er sich noch auf eine kleinere und mehr entfernte Insel absetzen wird denn er liebt dieses einfache Leben.
Tomy
Tomys Hütte
Sein jetzt siebzehnjähriger tonganischer Sohn Tomy, der mit der Mutter in der Hauptstadt Nuku'alofa wohnt, besuchte ihn für sechs Wochen und für ihn baute er eine zweite Wohnhütte die er mir jetzt als Unterkunft anbot falls ich ihn wieder besuchen komme.
Seine Küche
Natürlich gehören Inseln zu dem Stoff, aus dem die Sehnsüchte und Träume der Menschen sind, aber auch ihre Alpträume und manchmal wundere ich mich ob Horst eine heroische oder tragische Figur ist. Heiß erwünscht als Ort der Zuflucht und des Paradieses, aber ebenso heiß verwünscht als Ort der Verbannung und tödlicher Langeweile - die Welt der Inseln ist so ambivalent wie das Leben selbst. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in der Literatur wieder, die das Inselmotiv zum Thema hat. Sie lässt uns eine Weisheit und Menschlichkeit entdecken, die auch mystisch-religiöse Züge trägt.
Die Veranda vor seinem Haus
Wenn ich an Horst denke dann kommt mir der englische Schriftsteller Somerset Maugham in Erinnerung der einmal von einem Mann mit Namen Wilson erzählte, einem Geschäftsmann und Banker aus England. Der verliebte sich, als er zum ersten Mal auf Capri war, sofort in die Insel. Und so von Kopf bis Fuß in die Insel verliebt, beschloss er, seinen Beruf an den Nagel zu hängen und den Rest seines Lebens auf Capri zu verbringen. Die Bank gewährte ihm eine Abfindung. Zusammen mit dem Verkaufserlös seines Hauses und den Ersparnissen, die er hatte, reichte es bis zu seinem 60. Lebensjahr, also ganze 25 Jahre - nicht länger. Somerset Maugham schreibt:
"Wilsons Plan war gut, er besaß nur einen Fehler, den Wilson wohl nicht einkalkulieren konnte. Er hatte übersehen, dass durch 25 Jahre ungetrübten Seelenfriedens und vollkommenen Glücks im Windschatten des Schicksals seine Charakterstärke immer mehr aufgeweicht würde. Der menschliche Wille braucht Hindernisse, um sich zu stählen; wenn er nie beansprucht wird, wenn alle Wünsche in Erfüllung gehen, weil sie sich im Rahmen des mühelos Erreichbaren halten, dann versagt der Wille den Dienst."
Der Effekt der Schönheit der Insel auf Wilson ist so groß, dass dieser zunächst bereit ist, für fünfundzwanzig sorgenfreie Jahre mit seinem Tod zu bezahlen. Als die fünfundzwanzig Jahre um sind und auch sein Geld verbraucht ist, mangelt es ihm jedoch an der Willenskraft seinen Plan bis zuletzt in die Tat umzusetzen. Die letzten sechs Jahre seines Lebens verbringt Wilson geistig verwirrt und menschenscheu.
Leider habe ich nicht den Text der deutschen Übersetzung "Der Lotusesser, aber hier ist die englische Version The Lotus Eater.
Horst wie er leibt und lebt
Natürlich ist die Insel kein Feind des süßen Lebens. Aber sie kann eben auch Widerstand leisten und Hindernisse in den Weg legen. Und wozu? "Um den menschlichen Willen zu stählen", sagt Somerset Maugham. Damit wir Menschen mehr von dem, was in uns ist, in Erfahrung bringen. Das vollkommene Leben ist nicht notwendig mühelos und bequem. Wie auch das Glück nicht notwendig die Erfüllung aller Wünsche meint. Nicht selten lauern auf dem Grunde vollkommenen Genusses und vollkommener Schönheit Tod und Verderben. Und wenn ich mir dieses letzte Bild vom Horst ansehe dann denke ich daran was er sagte als er zu Anfang seines Aufenthaltes in Tonga zum Vaiola Hospital musste, "Horst, krank werden darfst Du hier aber nicht, sonst it's aus."
Das innere Bezogensein von Mensch und Insel, von Insel und Mensch kann Siegfried Lenz dahingehend zuspitzen, dass er sagt: "Im Grunde ist jeder von uns seine eigene Insel." Inseln sind nötig - draußen auf dem Meer und drinnen, tief in uns selbst.
Um sein Leben etwas zu erleichtern, schicke ich dem Horst - sozusagen von Insel zu Insel - alle paar Wochen einen größeren Geldschein und auch etwas Lesestoff - Hermann Hesse, Heinrich Böll, Erich-Maria Remarque usw. Bücher an denen er ein bisschen 'kauen' kann.
Die von Euch die schon am "Riverbend" zu Gast waren und sich revanchieren möchten, können es auf diese Art und Weise tun: schickt wie ich dem Horst ab und an ein geldliches oder bücherliches Geschenk.
Seine Anschrift ist:
Horst Berger Felemea, Uiha Ha'apai Group Königreich TONGA Südsee |