Wednesday, June 15, 2016

Ein Brief von meinem Bruder

Karl-Heinz, jetzt schon 83, in Kiel

 

Mein Bruder Karl-Heinz schrieb mir aus der (k)alten Heimat:

Hallo, lieber Peter,

recht herzlichen Dank für Deine Webseite mit dem schönen Foto unseres Vaters - siehe hier.

Habe mich darüber sehr gefreut, denn ich habe nur ein altes kleines Paßfoto von ihm, aber auf Deinem Foto sieht er wesentlich netter aus.

Wir beide, zumindest ich, und Du bist kurz davor, haben ihn ja inzwischen, was die Lebensjahre betrifft, schon überlebt.

Ich denke, je älter man wird, öfter an die früheren Jahre meines Lebens zurück. Teils mit Wehmut, teils mit Freude, aber auch viel mit eigenen Bedenken über das Falschgemachte oder nicht so gut Gelungene. Aber die Zeiten waren damals nach dem Krieg auch nicht mit den heutigen zu vergleichen. Und im Strom des Lebens schwimmen wir ja alle mehr oder weniger zwangsweise mit.

Ich hoffe Dir geht es einigermaßen gut. Ich kann/möchte nicht klagen. Man muß ja immer ans Alter denken und den Anderen, sogar Jüngeren, geht es schlechter.

Alles in allem hat es das Leben doch ganz gut mit einem gemeint. Wir haben ja auch eine ganze Menge darin investiert d.h. wir waren fleißig dabei, unsere Zukunft aufzubauen.

Viele Grüße nach Australien und an Dich
herzlich Karl-Heinz

"Teils mit Wehmut, teils mit Freude, aber auch viel mit eigenen Bedenken über das Falschgemachte oder nicht so gut Gelungene." Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können obwohl es bei mir mehr Wehmut und weniger Freude gab denn ich war schon 'unrasiert und fern der Heimat' ehe ich überhaupt mit dem Rasieren angefangen hatte.

Als achtzehnjähriger Baukaufmann in einer Baubude in 1963 oder 1964 irgendwo zwischen Walsrode und Verden an der Aller wo wir die Autobahn nach Bremen bauten. Im Hintergrund ist ein doppelstöckiges Bett und ein Ölofen, auf dem morgens und abends eine Waschschüssel stand für meine 'Katzenwäsche', denn in dieser Baubude arbeitete und wohnte ich.

Ich war noch ein völliges Milchgesicht als ich gleich am Ende meiner Lehrzeit mit der Hamburg-Bremer Feuerversicherung auf Montage ging. Die tägliche 'Auslösung' erlaubte es mir meinem zerbrochenen Elternhaus den Rücken zu kehren denn es bestand ohnehin nur aus einem Klappbett in der Stube in einer engen Etagenwohnung.

Als wohl jüngster Baukaufmann der Firma Sager & Woerner verdiente ich bloß DM500,-- pro Monat - siehe hier - aber es reichte um auf meinen eigenen wackligen Beinen zu stehen obwohl es morgens, mittags und abends nur Haferflocken gab.

Diese Erfahrungen und meine vielen Fahrten per Anhalter über ganz Europa bis nach Nordafrika, allein oder mit den "Fahrenden Gesellen", gaben mir genug Mut - und der Verkauf meiner Briefmarkensammlung das nötige Geld - um Mitte 1965 nach Australien auszuwandern.

Als Bankangestellter vor der Kingston Filiale der Australia & New Zealand Bank

In Australien war der Anfang sogar noch schwerer aber ich war jung und optimistisch und irgendwie, mit viel Glück, harter Arbeit, und der Hilfe von mehreren netten Menschen denen ich für immer dankbar sein werde, habe ich mir dort eine bessere Zukunft aufgebaut als ich sie je in Deutschland hätte erhoffen können. Obwohl da viel "Falschgemachtes oder nicht so gut Gelungenes" in meinem Leben war, die Auswanderung nach Australien habe ich nie bereut.